Aus aktuellem Anlass möchte ich ein paar Gedanken teilen, die mir schon seit Langem durch den Kopf gehen, aber vielleicht jetzt, im Lichte des Thüringer „Dammbruchs“, als politische Analyse der Geschehnisse taugen könnten. Vielleicht haben wir ein Problem mit fragmentierten Öffentlichkeiten, auch dissonante Öffentlichkeiten genannt, die durch „filter bubble“ erzeugt werden. Die Auswirkungen könnten viel größeren und weitreichenden sein, als bisher gedacht.
Zwar können wir eine politische Fragmentierung seit längerem beobachten, z.B. in der Parteienlandschaft Österreichs, Frankreichs, Italiens oder Spaniens und selbst in klassischen Zweiparteiensystemen wie den USA oder GB sehen wir eine Tendenz zu größerer Parteienvielfalt in den Parlamenten. Auch ist bemerkenswert, dass die Stimmanteile der "Sonstigen Parteien" seit Jahren wachsen. Aber wie kommt es, dass immer mehr kleinere Parteien es in die Parlamente schaffen? Liegt es wirklich daran, dass es den Volksparteien nicht mehr gelingt, verschiedene politische Strömungen zu bündeln? Oder hat es vielmehr mit der Art und Weise zu tun, woran wir festmachen, ob eine Information wahr oder falsch ist? Ein Erklärungsversuch:
The downside of the internet
Noch immer begreifen wir das Internet nicht als das, was es wirklich ist: eine desynchrone, hoch individualisierte Informationsverteilungsmaschine, die grundlegenden Mechanismen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens entgegenarbeitet. Das Internet verbindet und isoliert gleichermaßen. Bisher haben wir stets nur die verbindenden Vorteile dieser technologischen Errungenschaft gesehen: die Demokratisierung der Publizistik, kostenlose, grenzüberschreitende Kommunikation, freie Meinungsäußerung, offene, vernetzte Märkte.
Was wir dabei unterschätzt: Dein Internet sieht anders aus als meines. Und: Es vergisst nie. Es werden dir andere Nachrichten, andere Posts und Beträge, andere Suchergebnisse zu denselben Keyword angezeigt als mir. Du kannst 5x deine Cookies und deinen Cache löschen, dein und mein Internet wird sich nicht mehr angleichen, es wird verschieden bleiben, dafür sorgen unzählige miteinander vernetzte Datenbanken. Selbst in der anstehenden Cookie-freien Epoche des Internets, wird es personalisiert bleiben.
Die technischen, soziodemo- und geographischen Merkmale anhand derer Algorithmen entscheiden, welchem User welche Informationen im Feed oder in den Suchergebnissen angezeigt werden, wachsen rasant. Tausende individuelle Datenpunkte pro User können dabei beteiligt sein. Das ist gemeinhin als filter bubble bekannt.
Aber was hat das mit der Thüringischen Landtagswahl zu tun?
Das Kernproblem ist, dass wir uns nicht mehr sicher sein können, dass alle Personen in einer Gesellschaft die gleichen Informationen für ihre Entscheidung heranziehen.
Es herrscht immer weniger Einigkeit über unser Geschichtsverständnis, über die Dringlichkeit von Problemen und über mögliche politische Lösungen dieser. Selbst wer überhaupt eine "prominente" Person ist, ist heute schlicht nicht mehr eindeutig. Der Konsens auf Grundlage der gleichen Informationen fehlt. Hätte man eine Umfrage in den 70er, 80er oder 90er Jahren gemacht, welche Band die größte des jeweiligen Jahrzehnts ist, man wäre schnell auf eine konsensfähige Top 5 Liste gekommen. Versuche das mal mit dem letzten Jahrzehnt oder mit dem letzten Jahr.
Das Problem ist, dass Charts nicht mehr den Mainstream-Geschmack abbilden, dass Big Brother Promis kaum jemanden bekannt sind und deshalb „Wetten, Dass?“ heute nicht mehr funktionieren würde und das Fakten nicht mehr für alle gleichmaßen wahr sind, sondern nur für dasjenige Fragment der Gesellschaft, welches sich darauf einigt hat, dass sie wahr sind. Uns gehen zunehmend die neutralen Messinstrumente aus, um als Individuum und als Gesellschaft gleichermaßen konsensfähige Meinungen zu bilden und Entscheidungen zu treffen.
Das betrifft nicht Kultur und Politik, sondern lässt sich in vielen Bereichen des Lebens beobachten:
Viele erreichen wenige
Wir sehen z.B., dass es durch die digitale Kommunikation auch kleinen Parteien oder Meinungsgruppen viel einfacher fällt, ihre Öffentlichkeiten zu erreichen. Damit ist nicht die gesamte Öffentlichkeit gemeint, sondern kleine Fragmente der Gesellschaft, die sie mit ihren Botschaften erreichen. Die Inhalte können noch so bekloppt sein, wie Reichsbürger, Flatearther, Impfgegner, Holocaust- und Klimaleugner oder AfD-Anhänger beweisen. Sie alle schenken alternative Fakten Glauben und zweifeln am gesamtgesellschaftlichen, historischen Konsens von Fakten.
Wir sehen z.B., dass es durch die digitale Kommunikation auch kleinen Parteien oder Meinungsgruppen viel einfacher fällt, ihre Öffentlichkeiten zu erreichen. Damit ist nicht die gesamte Öffentlichkeit gemeint, sondern kleine Fragmente der Gesellschaft, die sie mit ihren Botschaften erreichen. Die Inhalte können noch so bekloppt sein, wie Reichsbürger, Flatearther, Impfgegner, Holocaust- und Klimaleugner oder AfD-Anhänger beweisen. Sie alle schenken alternative Fakten Glauben und zweifeln am gesamtgesellschaftlichen, historischen Konsens von Fakten.
Als Folge schaffen es immer mehr kleine Parteien und Einzelkandidaten in die Parlamente, und damit gerät das Mehrheitsprinzip im politischen Gesamtsystem ins Straucheln. Ein eindrucksvolles Beispiel ist die rasant steigende Zahl der Überhang- und Ausgleichsmandate in Deutschland. Sie entstehen unter anderem dadurch, dass Erststimmen für Direktkandidaten ein anderes politische Abbild darstellen als es die Zweitstimmenverhältnisse tun (Parteistimmen). Das Problem ist durch fragmentierte Öffentlichkeiten so groß geworden (BTW 2017 mit 46! Überhangmandaten), dass der Platz im Reichstag nicht mehr ausreicht.
Fragmentierte Medienlandschaft
Alle reden nur über soziale Netzwerke im Zusammenhang mit „filter bubbles“, dabei ist es auch in klassischen Medien zu beobachten. Es gab zum Beispiel noch nie so viele TV-Sender, Zeitschriften, Bücher und Publikationen wie heute. Ob das Fashion oder Technik, queerer Lifestyle oder Landlust ist, für jedes Fragment der Gesellschaft gibt es eigene Angebote. Wir erleben - entgegen allen Erwartungen - eine Zersplitterung der Medienlandschaft anstatt einer Konsolidierung. Und das führt sogar soweit, dass Einzelpersonen und Influencer größere Reichweite erzeugen als professionelle Medien.
Alle reden nur über soziale Netzwerke im Zusammenhang mit „filter bubbles“, dabei ist es auch in klassischen Medien zu beobachten. Es gab zum Beispiel noch nie so viele TV-Sender, Zeitschriften, Bücher und Publikationen wie heute. Ob das Fashion oder Technik, queerer Lifestyle oder Landlust ist, für jedes Fragment der Gesellschaft gibt es eigene Angebote. Wir erleben - entgegen allen Erwartungen - eine Zersplitterung der Medienlandschaft anstatt einer Konsolidierung. Und das führt sogar soweit, dass Einzelpersonen und Influencer größere Reichweite erzeugen als professionelle Medien.
Die Gesellschaft informiert sich höchst individuell und damit ist ein Konsens auf Grundlage der selben Informationslage faktisch unmöglich geworden. Früher war alles, was in der Tagesschau gezeigt wurde, Konsens. Man konnte sich sicher sein, dass die Tageschau von mehreren Millionen Menschen gesehen wird, sie also zeitgleich dieselben Informationen zur Kenntnis genommen haben. Aber im Netz findet nichts zum gleichen Zeitpunkt statt, alles ist „on demand“ und personalisiert. Dieses Problem wird zukünftig auch weitere traditionelle Kanäle erfassen, denn mit addressable TV und digitalen Billboards sind auch individualisierte Botschaften im Straßenbild und in den Wohnzimmern möglich. Es suggeriert beim Zuschauer eine Synchronizität, die es nicht gibt.
Informationsungleichgewichte
In der Theorie bestimmt das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage den Preis von Waren. Aber Preise im Internet variieren auch nach Standort, Browsing Historie, Spracheinstellung, Art des Betriebssystems und sogar des Akkustands deines Telefons. Obwohl das Internet lokale und globale Preis- und Produktvergleiche in nie gekanntem Ausmaße ermöglicht, herrscht eine Informationdissonanz: Der synchrone, für alle gleiche Preisfindungsprozess der gelernten Offlinewelt entfällt und wird mit einem individuellen Wahrscheinlichkeitspreis zwischen dir und einer allwissenden Informationsmaschine ersetzt.
Beim Bäcker zum Beispiel gelten für dich die gleichen Brötchenpreise wie für deinen Nachfolger in der Schlage an der Theke. Die Nachfrage determiniert sich durch alle Verbraucher. Wüsste der Bäcker jedoch wie hungrig du gerade bist oder ob du es sehr eilig hast, könnte er dir das Brötchen teurer verkaufen, also einen Preis anbieten der auf deiner individuellen Nachfrage beruht. Im Onlinehandel passiert genau das, nur bekommen wir es nicht mit.
Online kennst du schlicht nicht die anderen Kunden im virtuellen Verkaufsraum. Oder wie viele Personen überhaupt dort einkaufen und ob du der erste oder der 3000. Kunde heute bist? Auch ist dir unbekannt, zu welchen Preisen andere Kunden dort einkaufen?
Das sind alles Informationen, die du ohne Schwierigkeiten - synchron und für alle ersichtlich - in jedem Ladengeschäft in der Offlinewelt erfahren und anzuwenden kannst. Der Onlinehändler stellt dir nur jene Informationen zur Verfügung, die für ihn vorteilhaft sind. Du siehst z.B. wie viele andere Personen sich dieses Produkt gerade anschauen um das Gefühl der Knappheit zu vermitteln. Du siehst 5 Sterne-Bewertungen und zufriedene Kundenmeinungen. Der Onlinehändler hingegen hat das Preistheoretische Informationsmonopol: Einkaufspreis, Marge, Bonität des Käufers, tatsächlicher Lagerbestand, Werbemittelkontakte, Bestellhistorie, Retoure-Wahrscheinlichkeit. Statt der erwarteten Informationsgerechtigkeit herrscht im Netz ein Ungleichgewicht zugunsten des Händlers. Der beschriebene Effekt kann uns vielleicht beim Onlineshoppen noch egal sein, aber auf gesellschaftliche Fragestellungen angewandt, könnte es höchst problematisch wirkt, wenn Parteien individuelle „Nachfrage“ mit individuellen „Angeboten“ beantworten. Wir wüssten schlicht nicht, was die Partei einem anderen Wähler angeboten hat und wofür sie im Ganzen steht.
In der Theorie bestimmt das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage den Preis von Waren. Aber Preise im Internet variieren auch nach Standort, Browsing Historie, Spracheinstellung, Art des Betriebssystems und sogar des Akkustands deines Telefons. Obwohl das Internet lokale und globale Preis- und Produktvergleiche in nie gekanntem Ausmaße ermöglicht, herrscht eine Informationdissonanz: Der synchrone, für alle gleiche Preisfindungsprozess der gelernten Offlinewelt entfällt und wird mit einem individuellen Wahrscheinlichkeitspreis zwischen dir und einer allwissenden Informationsmaschine ersetzt.
Beim Bäcker zum Beispiel gelten für dich die gleichen Brötchenpreise wie für deinen Nachfolger in der Schlage an der Theke. Die Nachfrage determiniert sich durch alle Verbraucher. Wüsste der Bäcker jedoch wie hungrig du gerade bist oder ob du es sehr eilig hast, könnte er dir das Brötchen teurer verkaufen, also einen Preis anbieten der auf deiner individuellen Nachfrage beruht. Im Onlinehandel passiert genau das, nur bekommen wir es nicht mit.
Online kennst du schlicht nicht die anderen Kunden im virtuellen Verkaufsraum. Oder wie viele Personen überhaupt dort einkaufen und ob du der erste oder der 3000. Kunde heute bist? Auch ist dir unbekannt, zu welchen Preisen andere Kunden dort einkaufen?
Das sind alles Informationen, die du ohne Schwierigkeiten - synchron und für alle ersichtlich - in jedem Ladengeschäft in der Offlinewelt erfahren und anzuwenden kannst. Der Onlinehändler stellt dir nur jene Informationen zur Verfügung, die für ihn vorteilhaft sind. Du siehst z.B. wie viele andere Personen sich dieses Produkt gerade anschauen um das Gefühl der Knappheit zu vermitteln. Du siehst 5 Sterne-Bewertungen und zufriedene Kundenmeinungen. Der Onlinehändler hingegen hat das Preistheoretische Informationsmonopol: Einkaufspreis, Marge, Bonität des Käufers, tatsächlicher Lagerbestand, Werbemittelkontakte, Bestellhistorie, Retoure-Wahrscheinlichkeit. Statt der erwarteten Informationsgerechtigkeit herrscht im Netz ein Ungleichgewicht zugunsten des Händlers. Der beschriebene Effekt kann uns vielleicht beim Onlineshoppen noch egal sein, aber auf gesellschaftliche Fragestellungen angewandt, könnte es höchst problematisch wirkt, wenn Parteien individuelle „Nachfrage“ mit individuellen „Angeboten“ beantworten. Wir wüssten schlicht nicht, was die Partei einem anderen Wähler angeboten hat und wofür sie im Ganzen steht.
Micro-Brands
Wir erleben auch eine zunehmende Fragmentierung in der Werbung. Im Marketing findet die Fragmentierung durch eine hochgradige Zerstückelung der Zielgruppen statt. Durch Targeting, gar Microtargeting, Affinity Groups und personalisierte Werbung werden Marken und Produkteigenschaften an sehr, sehr kleine Zielgruppen mit unterschiedlichen Botschaften ausgesteuert. Durch die Bestrebungen, kleine Zielgruppen mit hoher Kaufwahrscheinlichkeit zu erreichen, also Streuverluste in der Werbung zu minimieren, erreicht man faktisch das genaue Gegenteil: eine fragmentierte Markenwahrnehmung und Verlust an allgemeiner Begehrlichkeit. Beispiel:
Wir erleben auch eine zunehmende Fragmentierung in der Werbung. Im Marketing findet die Fragmentierung durch eine hochgradige Zerstückelung der Zielgruppen statt. Durch Targeting, gar Microtargeting, Affinity Groups und personalisierte Werbung werden Marken und Produkteigenschaften an sehr, sehr kleine Zielgruppen mit unterschiedlichen Botschaften ausgesteuert. Durch die Bestrebungen, kleine Zielgruppen mit hoher Kaufwahrscheinlichkeit zu erreichen, also Streuverluste in der Werbung zu minimieren, erreicht man faktisch das genaue Gegenteil: eine fragmentierte Markenwahrnehmung und Verlust an allgemeiner Begehrlichkeit. Beispiel:
Man verkauft keine Statusprodukte wie eine Rolex, in dem man nur Menschen mit Werbung erreicht, die sich eine Rolex leisten können. Man verkauft eine Rolex, weil es ein gesellschaftlicher Konsens ist, dass eine Rolex ein Vermögen kostet und diejenigen, die sich eine Rolex leisten, sich sicher sein können, dass alle anderen wissen, was so eine Rolex kostet. So funktioniert Statustransfer. So funktioniert der Luxus- aber auch in großen Teilen der Mainstreammarkt.
Wenn dieses gemeinschaftliche Wissen, der Konsens durch Targeting wegfällt, bedeutet es im Umkehrschluss, dass eine Marke die einen Status zu verkaufen versucht, vielleicht nicht mehr den Status für alle Gesellschaftsschichten darstellt, sondern nur noch für eine kleine Käuferschicht, einem Fragment der Gesellschaft. In Teilen wird dieses Problem hier beschrieben, dass das Durchsetzen von „corporate narratives“ unmöglich geworden ist und deshalb Markenkommunikation gänzlich aufgegeben werden könne: das Konzept der „Headless Brands“. Angewandt auf Demokratien bedeutete dies, das politische Organisationen die Deutungshoheit über ihre eigenen politischen Ideen verlieren, Liberale nicht mehr als mit ihrer Version von Liberalität im Diskurs durchdringen, vielleicht sogar von gegensätzlichen, politischen Interessensgruppen unbemerkt vereinnahmt werden.
Bröckelnde Bündnisse
Es ist doch kein Zufall, dass immer mehr Regionen nach Unabhängigkeit streben, dass Stadt- und Landbevölkerung in ihren politischen Agenden auseinanderdriften, dass Trump von 50% der Bevölkerung gehasst und von 50% geliebt wird, dass der Brexit passierte, oder dass immer weniger ArbeiterInnen in Gewerkschaften organisiert sind, obwohl die schlechter werdenden Arbeitsbedingungen eigentlich nach stärkerer, gewerkschaftlicher Organisation verlangen.
Es ist doch kein Zufall, dass immer mehr Regionen nach Unabhängigkeit streben, dass Stadt- und Landbevölkerung in ihren politischen Agenden auseinanderdriften, dass Trump von 50% der Bevölkerung gehasst und von 50% geliebt wird, dass der Brexit passierte, oder dass immer weniger ArbeiterInnen in Gewerkschaften organisiert sind, obwohl die schlechter werdenden Arbeitsbedingungen eigentlich nach stärkerer, gewerkschaftlicher Organisation verlangen.
Dem seit Jahrhunderten geltenden Prinzip des „Gemeinsam sind wir stärker“ scheint jetzt die Phase der „Ich bin die Gemeinschaft“ zu folgen. Es scheint fast so, dass nach Generationen der ungleichen Machtverteilung die erfolgversprechendste Strategie zu mehr Macht, die der Vereinigung und Bündelung von Interessensgruppen war (siehe Demokratie, Gewerkschaften, Nato, EU, Freihandelsabkommen und vernetze Volkswirtschaften).
Aber nun, nachdem sich weltweit die Lebensbedingungen angleichen und die Informationsverteilung durch das Internet in vielen statt wenigen Händen liegt, sich ein Zeitalter der fluiden Einzelinteressen abzeichnet und was sich im Zerfall der Nato, der EU, oder der Volksparteien bereits erahnen lässt. Vielleicht können wir vom Phänomen der Frenemies lernen, oder die der flexiblen Mehrheiten, die weniger ideologisch legitimierte, auf einen einst ausverhandelten Konsens ihre Entscheidungen fußen, sondern situativ nach Gleichgesinnten suchen, um ein singuläres Ziel zu erreichen. Vielleicht erleben wir eine neue gesellschaftliche Organisationsform ähnlich der Adhokratie, und die Anfänge bildeten die Piratenbewegung und gipfeln nun in dem 12062020 Demokratiefestival in Berlin?
Aber nun, nachdem sich weltweit die Lebensbedingungen angleichen und die Informationsverteilung durch das Internet in vielen statt wenigen Händen liegt, sich ein Zeitalter der fluiden Einzelinteressen abzeichnet und was sich im Zerfall der Nato, der EU, oder der Volksparteien bereits erahnen lässt. Vielleicht können wir vom Phänomen der Frenemies lernen, oder die der flexiblen Mehrheiten, die weniger ideologisch legitimierte, auf einen einst ausverhandelten Konsens ihre Entscheidungen fußen, sondern situativ nach Gleichgesinnten suchen, um ein singuläres Ziel zu erreichen. Vielleicht erleben wir eine neue gesellschaftliche Organisationsform ähnlich der Adhokratie, und die Anfänge bildeten die Piratenbewegung und gipfeln nun in dem 12062020 Demokratiefestival in Berlin?
Aber zurück zum Thüringenproblem:
Könnte es sein, dass politische Kräfte das Problem der Fragmentierung ebenfalls haben? Könnte es sein, dass Parteien ihre politischen Angebote zu stark auf Teil-Zielgruppen zuschneiden, und dabei vergessen haben, dass es in der Gesellschaft keinen Konsens mehr gibt, für welches große politische Versprechen eine Partei steht?
Könnte es sein, dass dem Wähler ein „personalisiertes“ Wahlprogramm vorgelegt wird oder der Wähler nicht mehr nur in einem politischen Teilspektrum nach Antworten sucht?
Könnte es sein, dass dem Wähler ein „personalisiertes“ Wahlprogramm vorgelegt wird oder der Wähler nicht mehr nur in einem politischen Teilspektrum nach Antworten sucht?
Könnte es ferner sein, dass der Tabubruch während der Wahl des Thüringischen Ministerpräsidenten auch ein Ausdruck dafür ist, dass selbst innerhalb einer Partei der Konsens verloren gegangen ist?
Und könnte es sein, dass ein Thüringer FDP Wähler die Partei wegen einer anderen Wahrnehmung liberaler Werte wählte, als das es ein FDP Anhänger aus Stuttgart tut?
Wenn die Bundes-CDU nicht einmal mehr innerhalb der eigenen Organisation Beschlüsse durchsetzen kann, besteht der Verdacht, dass dort kein politischer Konsens mehr herrscht. Möglicherweise sind die CDU Landesverbände derart fragmentiert, dass es sich nicht um eine, sondern um 15 verschiedene Parteien handelt? Wären dann nicht alle Koalitionskombinationen möglich? Wenn auf Landesebene jeder mit jedem regieren kann, wie soll dann der Bundesrat beschlussfähig werden?
Und schlussendlich drängt sich natürlich der Verdacht auf, Thomas Kemmerich wandte eine Frenemy Taktik an, um ein Einzelziel zu erreichen. Nur was sagt das über die Fraktionbindung aus?
Der eigentliche Tabubruch in dieser thüring'schen Geschichte zeigt sich doch vielmehr innerhalb der Parteien als zwischen ihnen. Wir sind möglichweise Zuschauer handfester Parteienkrisen jenseit der Hufeisen-Theorie.
Wenn all die Beobachtungen fragmentierter Öffentlichen zutreffen: Was bedeutet das dann für die Machtstrukturen, wenn sich die Wählerschichten, die Parteien, die öffentliche Meinung, die Medienlandschaft, die Marken- und Nationalstaatenkonstrukte derartigen Fliehkräften ausgesetzt sind?
Sicher ist, wir stehen vor einer Zeitenwende und nicht vor einem Dammbruch. Und der eigentliche Grund dafür könnte sein, dass die Bindungskraft innerhalb der Gesellschaft von zeitgleicher, einer wie auch immer gearteten Verifizierung von Informationen abhängt und das personalisierte Internet genau das gerade abschafft.
Vielleicht könnte das aus der Kryptowährung bekannte „Proof of Work“ eine Lösung bieten, zumindest die Validierung von Fakten durch mehrere unabhängige „Blöcke“ zu bestätigen. So könnten sich Gesellschaften wieder darauf einigen, nach welchem Verfahren eine Information wahr oder falsch ist. Einer Aufgabe, die bis vor kurzem noch der vierten Gewalt, den „Medien“ zugeschrieben wurde. Aber wer erledigt das zukünftig?
Vielleicht könnte das aus der Kryptowährung bekannte „Proof of Work“ eine Lösung bieten, zumindest die Validierung von Fakten durch mehrere unabhängige „Blöcke“ zu bestätigen. So könnten sich Gesellschaften wieder darauf einigen, nach welchem Verfahren eine Information wahr oder falsch ist. Einer Aufgabe, die bis vor kurzem noch der vierten Gewalt, den „Medien“ zugeschrieben wurde. Aber wer erledigt das zukünftig?
Dipl. Imp