Die Geschichte der Menschheit ist durch Vereinigung gezeichnet. Die Vereinigung von Mann und Frau, von Einzelgängern zu Gruppen, von Familien zu Sippen, zu Dörfern und Städten, von Fürstentümern zu Staaten. Und on top of it, auch noch Staatengemeinschaften wie die EU. Soweit so gut.
Doch seit einiger Zeit gibt es eine weitere Vereinigung, die bisher nicht ausreichend beleuchtet ist, aber nicht minder folgenschwer in ihrer Auswirkung sein dürfte: das Globale Urbane Selbstverständnis
Der Anstoß, darüber nachzudenken, kam mir bei der hochumstrittenen Austrittsankündigung Donald Trumps vom Klimaabkommen Paris. Das dereinst aufsehenerregende Statement „Ich bin gewählt worden, um die Menschen von Pittsburgh zu vertreten, nicht die von Paris“ führte zu einigen heftigen Reaktionen in - unter anderem - Pittsburgh. Bürgermeister weiterer US-Amerikanischer Großstädte verkündeten daraufhin, am Klimaabkommen trotz des Kurswechsels Washingtons fest- und die Klimaziele einhalten zu wollen. Eine Randnotiz damals: New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio bezog sich auf einen Beschluss der so genannten C40 - Cities Climate Leadership Group, sozusagen ein Zusammenschluss der wichtigsten Metropolen der Welt im Kampf gegen urbane Verschmutzung und zur Förderung von städtischer Nachhaltigkeit. Mir war bis dahin vollkommen unbekannt, dass es so etwas überhaupt gibt, dass sich weltweit Städte organisieren. Die Gruppe C40 repräsentiert heute mehr als 640 Millionen Bürger auf allen Kontinenten, sie wäre damit – in Nationalstaaten gedacht – das am drittstärksten bevölkerte Land, nach China und Indien, und hätte deutlich mehr Einwohner als die gesamte EU.
Der Anstoß, darüber nachzudenken, kam mir bei der hochumstrittenen Austrittsankündigung Donald Trumps vom Klimaabkommen Paris. Das dereinst aufsehenerregende Statement „Ich bin gewählt worden, um die Menschen von Pittsburgh zu vertreten, nicht die von Paris“ führte zu einigen heftigen Reaktionen in - unter anderem - Pittsburgh. Bürgermeister weiterer US-Amerikanischer Großstädte verkündeten daraufhin, am Klimaabkommen trotz des Kurswechsels Washingtons fest- und die Klimaziele einhalten zu wollen. Eine Randnotiz damals: New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio bezog sich auf einen Beschluss der so genannten C40 - Cities Climate Leadership Group, sozusagen ein Zusammenschluss der wichtigsten Metropolen der Welt im Kampf gegen urbane Verschmutzung und zur Förderung von städtischer Nachhaltigkeit. Mir war bis dahin vollkommen unbekannt, dass es so etwas überhaupt gibt, dass sich weltweit Städte organisieren. Die Gruppe C40 repräsentiert heute mehr als 640 Millionen Bürger auf allen Kontinenten, sie wäre damit – in Nationalstaaten gedacht – das am drittstärksten bevölkerte Land, nach China und Indien, und hätte deutlich mehr Einwohner als die gesamte EU.
Eine gemeinsame Interessenvertretung urbaner Bevölkerung macht aus vielerlei Hinsicht Sinn, denn Städte sind in der Regel mit den gleichen Problemen konfrontiert, z.B. Verkehrsinfarkt, Luftverschmutzung, soziale Brennpunkte, knapper Wohnraum bei starkem Zuzug. Probleme, die in ruralen Gebieten kaum auftreten. Städte müssen diese Probleme lösen, sind aber nicht souverän in ihren politischen Entscheidungen. Sie können nur Weichen mit kommunaler Reichweite stellen, die Ursachen ihrer Probleme aber hören nicht an der Stadtgrenze auf. Stichwort Zuwanderung: keine Stadt kann den Zuzug selbst steuern. Stichwort Luft: Kosten zur Verbesserung der Luftqualität fallen ausschließlich in Städten an, ein großer Anteil der Verursacher ist Pendel- und Lieferverkehr, der Steuern außerhalb der Städte zahlt. Wirklich politisch unabhängige Städte, die wirkungsvoll solche Herausforderung regeln könnten, sind sehr selten - genau genommen nur 3 weltweit: Singapur, Monaco und Vatikanstadt (allerdings mit weniger als 900 Einwohnern streng genommen keine Stadt). Alle anderen Metropolen werden politisch von ihren Flächenstaaten vertreten.
Die Städte rücken nach links
Auch die Bundestagswahl 2017 machte einen Gegensatz zwischen Stadt und Land deutlich: die liberale, weltoffene Lebensweise der meisten Großstädter stößt auf konservativen Widerstand im ländlichen Raum. Dabei ist nicht das Ergebnis der AfD das Ãœberraschende der Wahl, denn sie schnitt in urbanen und hochurbanen Wahlkreisen nur leicht schwächer ab als im ländlichen Raum. (siehe Abbildung) Wir konnten bei der diesjährigen Bundestagswahl vielmehr einen Linksruck der Innenstädte beobachten. In hochurbanen Wahlkreisen (Bevölkerungsdichte über 3000 Einwohner/km²) gaben Wahlberechtigte deutlich häufiger der Linken oder den Grünen ihre Zweitstimme, als sie dies in weniger städtischen Gegenden taten. Ausgerechnet die Gutverdiener der Innenstädte wählen links.
Ausgerechnet dort, wo der Ausländeranteil an der Bevölkerung am höchsten ist, wird für mehr Offenheit gestimmt. Die Bereitschaft zur Solidarität und die Erkenntnis, dass kulturelle Vielfalt eine Bereicherung statt eine Gefahr ist, scheinen in Innenstädten tendenziell höher zu sein. Mit sozialer Ungleichheit und fremden Kulturen wird man dort ja schließlich Tag für Tag konfrontiert. Das heißt, es existiert auch ein großer Unterschied in der Wahrnehmung von Problemen zwischen Stadt und Land und – deutlich schwerwiegender - zwischen Wirkungsort und politischem Agendasetting. Digitalisierung oder Feinstaub – also urbane Themen - waren im Wahlkampf hingegen überhaupt nicht Gegenstand des Diskurses. Ein Interessensaustausch zwischen beiden Gruppen würde der gegenseitigen Empathie sicher helfen. Aber nicht am Berliner Alexanderplatz oder im Hamburger Schanzenviertel, wo Gleichgesinnte unter sich Straßenfeste feiern und Volxküchen betreiben. Dort muss niemand überzeugt werden. Die Rostocker Punkband Feine Sahne Fischfilet geht andere Wege. Sie bespielte die angeblich überfremdeten Dorfplätze in Mecklenburg-Vorpommern, sie organisiert das Open Air „Wasted in Jarmen“, jenem bundesweit als Nazidorf bekannten Ort. Sie geht dorthin, wo AfD und NPD für weniger multikulti und mehr deutsch wirbt. Guter Anfang!
Gibt es eine urbane statt nationaler Identität?
Die Wahl ist nur eine Episode des Stadt-Land Konfliktes. Die Kernfrage lautet doch: Warum ist mir als Berliner kulturell gesehen ein Londoner oder New Yorker näher als ein Bewohner aus Rathenow oder Bernau? Sorgen und Ängste, politische und religiöse Gesinnung, die musikalische Präferenz und der Medienkonsum sind fundamental anders in allen ländlichen Gebieten auf der Welt, nur in den Global Cities gleichen sie sich immer stärker an. Es ist deutlich leichter ein Gespräch mit einem New Yorker über eine Band, einen Twitter-Meme oder die neueste Netflix Serie zu führen, als dies mit einem Brandenburger der Fall wäre – und das trotz gemeinsamer Sprache, kultureller Sozialisation und deutscher Identität!
Die Eroberung des Internets in zuerst städtischen Ballungszentren hat sicher damit zu tun. Sie trug zu einem rasant beschleunigten, kulturellen Austausch zwischen städtischer Bevölkerung bei. Sie erschuf globale Memes, globalen Humor, globale Player. Wenn ich mein Reiseverhalten heute mit dem von vor 10 Jahren vergleiche, zeigt sich diese allumfassende Veränderung. Ich nutze praktisch ausschließlich globale digitale services, die in jeder Metropole der Welt (ausgenommen Chinesischen) die Gleichen sind. Google & Google maps, airbnb, booking.com, uber, tripadvisor bishin zu songkick und bands in town. Mit Twitter, den großen News Seiten, Netflix und Spotify muss ich nicht einmal meine gewohnten Medien auf Reisen missen. Dank Tinder & Co lässt sich in irgendeiner Großstadt problemlos ein Date finden, und mit crypocurrencies Geschäfte abwickeln.
Wie weitreichend diese Vereinheitlichung und Vernetzung der global cities ist, konnte man an der rasanten, weltweiten Verbreitung des Hipstertums vor 10 Jahren erahnen. Ungeachtet von nationalen oder lokalen Trends hat sich die hippe Fashion, die 3-Tagebärte und die Streetfoodkultur verbreitet. Die Hosen wurden weltweit skinny, der Kaffee global slow & cold brewed, in jeder Millionenstadt craft beer und avocado on rye toast.
Ob in Saigon, Athen, Belgrad, New York oder Berlin: die hippen Restaurants und Bars sehen alle gleich aus. Im Stahl/Holz-Look, Craft beer, Free wifi, das Tagesmenü und flotte Sprüche mit Kreide auf schwarzem Tafellack geschrieben. Als Hipster fühlt man sich so überall auf der Welt zu Hause. Um als globaler City-Jetsetter nicht den Überblick zu verlieren, in welcher Stadt gerade was passiert, gibt es neuerdings im The Guardian eine eigene Rubrik für Auslandsnachrichten. Es wird unterteilt in US, EUROPE, ASIA und in CITIES. Global Cities als neue, identitätsstiftende Heimat. Urbanität als Herkunftsort. Interessant.
Die Eroberung des Internets in zuerst städtischen Ballungszentren hat sicher damit zu tun. Sie trug zu einem rasant beschleunigten, kulturellen Austausch zwischen städtischer Bevölkerung bei. Sie erschuf globale Memes, globalen Humor, globale Player. Wenn ich mein Reiseverhalten heute mit dem von vor 10 Jahren vergleiche, zeigt sich diese allumfassende Veränderung. Ich nutze praktisch ausschließlich globale digitale services, die in jeder Metropole der Welt (ausgenommen Chinesischen) die Gleichen sind. Google & Google maps, airbnb, booking.com, uber, tripadvisor bishin zu songkick und bands in town. Mit Twitter, den großen News Seiten, Netflix und Spotify muss ich nicht einmal meine gewohnten Medien auf Reisen missen. Dank Tinder & Co lässt sich in irgendeiner Großstadt problemlos ein Date finden, und mit crypocurrencies Geschäfte abwickeln.
Wie weitreichend diese Vereinheitlichung und Vernetzung der global cities ist, konnte man an der rasanten, weltweiten Verbreitung des Hipstertums vor 10 Jahren erahnen. Ungeachtet von nationalen oder lokalen Trends hat sich die hippe Fashion, die 3-Tagebärte und die Streetfoodkultur verbreitet. Die Hosen wurden weltweit skinny, der Kaffee global slow & cold brewed, in jeder Millionenstadt craft beer und avocado on rye toast.
Ob in Saigon, Athen, Belgrad, New York oder Berlin: die hippen Restaurants und Bars sehen alle gleich aus. Im Stahl/Holz-Look, Craft beer, Free wifi, das Tagesmenü und flotte Sprüche mit Kreide auf schwarzem Tafellack geschrieben. Als Hipster fühlt man sich so überall auf der Welt zu Hause. Um als globaler City-Jetsetter nicht den Überblick zu verlieren, in welcher Stadt gerade was passiert, gibt es neuerdings im The Guardian eine eigene Rubrik für Auslandsnachrichten. Es wird unterteilt in US, EUROPE, ASIA und in CITIES. Global Cities als neue, identitätsstiftende Heimat. Urbanität als Herkunftsort. Interessant.
Global City State
Wenn es also bereits eine globale urbane Kultur gibt, die globale digitale Services nutzt und die gleichen politischen, gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen zu meistern hat, warum organisieren sich dann Städte nicht entsprechend? Warum gibt es noch keine EU der Städte? Wo ist die Interessensvertretung städtischer Bevölkerung im Weltsicherheitsrat, der UN, Weltbank, Nato?Die ersten Anzeichen sind erkennbar und würde man die Entwicklungen weiterdenken und Städte könnten irgendwann tatsächlich souverän entscheiden, was für ihre städtische Bevölkerung richtig und wichtig ist, was würde passieren?
- Städte würden autoärmer und umweltfreundlicher werden können, sie als Lebenszentrum attraktiver machen, was wiederum ihre Anziehungskraft für weitere Urbanisierung beschleunigt
- Durch eine globale, städtische Lebenskultur wird der Anspruch auf autonome unabhängige Städtepolitik steigen, Nationalstaaten an Einfluss weiter verlieren.
- Es könnten bilaterale, städtische Abkommen geschlossen werden, die z.B. Visafreies Einreisen innerhalb eines Städtebundes ermöglicht
- Steigende Interessenskonflikte zwischen Stadt und Land könnten zu Einreisebeschränkungen führen, z.B. könnte der motorisierte Pendelverkehr in die Städte sanktioniert werden, um die Luftqualität zu verbessern
- Territoriale Konflikte könnten neue städtische Mitspieler bekommen, die stark international vernetzt sind, schnelle Entscheidungen treffen können und über erhebliche Mittel (finanziell, politisch, medial) verfügen.
"Cities of the world unite, you have nothing to lose but your slums, your poverty and your military expendability" Ken Boulding, 1978
Das Buch "War and Antiwar" von Alvin Toffler prophezeite schon 1993, dass der Krieg der Zukunft nicht mehr zwischen Nationalstaaten stattfinden werde. Vielmehr sind es Interessensgruppen ohne eigenen souveränen Staat oder feste Landesgrenzen. Diese Konflikte könne man nicht mit konventionellen militärischen Mitteln bekämpfen, denn wo sollten Panzer und Raketen denn hinzielen, wenn der Feind kein Territorium besitzt. Auch die konventionelle Kriegsprävention ist bei Interessensgruppen wirkungslos. In den politischen Institutionen sind nur souveräne Staaten vertreten. Deshalb gibt es auch keine Plattform für Verhandlungen mit Terroristen oder Separatisten. Städte könnten so gesehen eine eigene Interessensgemeinschaft werden, sie könnten sich auch bewaffnen um gegen andere ihre Lebensweise verteidigen zu können.
All das ist nicht aus der Luft gegriffen. Es hat so etwas bereits in der Geschichte gegeben: Der Städtebund Hanse hat über die damals neuen Seewege der Ostsee ebenfalls einen regen Austausch erzielt, nicht nur im Handel von Waren, auch kulturell und technologisch. Die Hafenstädte hatten Privilegien und lösten sich aus ihren kontinentalen Verflechtungen. Sie traten einem Bund bei auch wenn zwischen ihnen die Weiten des Meeres lagen. Was wäre also, wenn die Schiffe von einst, heute die Flugzeuge und das Internet wären?
Gäbe es eine Partei, die sich für urbane Interessen einsetzte, ich würde sie wahrscheinlich wählen. Oh Moment, da gibt’s ja schon eine: Die Urbane
Weitere Gedanken zum Thema könnt ihr hier finden:
https://aeon.co/essays/the-end-of-a-world-of-nation-states-may-be-upon-us
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